Durch soziale Medien können psychische Probleme entstehen oder gar verstärkt werden, so auch die sogenannte Snapchat-Dysmorphia. Eine Krankheit, bei der das ständige Bearbeiten von Selfies zu Schönheitsidealen führt, die nicht mehr mit der Realität übereinstimmen. Doch wer trägt die Schuld dafür und wie kann dieses Phänomen vorgebeugt werden?
Eine schmale Nase, ausgeprägte Wangenknochen, volle Lippen und einige Sommersprossen, wo eigentlich keine sind – so präsentieren sich die einen oder anderen auf Instagram und Snapchat. Filter namens «Plastica» oder «Bad Botox» verändern Körperpartien, sodass diese aussehen wie nach einem Besuch beim plastischen Chirurgen. Solche Filter-Effekte finden hohen Anklang – so wurde der Filter «Plastica» allein im ersten Monat nach Erscheinung über 170 Millionen Mal verwendet und rund 14 Prozent der Selfies werden digital bearbeitet. Doch problematisch scheint damit einhergehend auch die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers. Ein Ideal des Selbstbildes wird virtuell erstellt, dass nicht mit der Realität übereinstimmt. Es entsteht das Risiko einer Körperschema-Störung durch die sozialen Medien, die sogenannte Snapchat-Dysmorphia.
Das Aussehen als Stressfaktor
Snapchat-Dysmorphia wurde erstmals Anfangs 2018 von Forschern der Boston University School of Medicine beschrieben. Sie hat ihren Ursprung in einer Körperdysmorphen Störung, die sich vor allem durch Symptome wie die ständige Beschäftigung mit dem Aussehen, übermässiger Vergleich mit anderen und häufiges Betrachten im Spiegel, aber auch Kratzen, Zwicken und Zupfen der Haut und vieles mehr äussert. Diese erwähnten Verhaltensweisen bestimmen den Alltag der Betroffenen, denn sie beanspruchen zwischen 3 bis 8 Stunden pro Tag. Die Symptome können als Folge Depressionen, sozialer Rückzug oder gar Suizidgedanken auslösen. Allgemein ist hier eine Einschränkung der Lebensqualität sichtbar. Durch die sozialen Medien hat die Körperdysmorphe Störung eine neue Dimension angenommen: Snapchat-Dysmorphia. Davon ist die Rede, wenn Menschen ständig um ihr Aussehen besorgt sind und dadurch unrealistische Schönheitsideale entwickeln, indem sie ihre Bilder durch Bearbeitungstechnologien verändern.
Wo das Selfie den Spiegel ersetzt
Während im realen Leben Selbstoptimierung und Identitätsbildung vor allem
im Jugendalter ein wichtiges Thema sind, geschieht dies mittels neuer Technik
auf den sozialen Medien. Dabei bleibt der Transformationsprozess aus, was zu
kritischen Stimmen gegenüber dem digitalen Fortschritt führt. Laut dem
plastischen Chirurgen Dr. Esho sind die sozialen Plattformen und vor allem die
Filter verantwortlich für vermehrte Schönheits-OP’s. Wo früher Klienten wie
Stars aussehen wollten, kommen heute meist Frauen mit einem filterüberzogenen
Bild in seine Praxis. Weiter kritisiert Esho, dass der Selbstwert in der
digitalen Welt vor allem auf Likes und Followers aufbaut, wobei sich diese
wiederum erst ergeben, wenn das Foto einem Schönheitsideal entspricht. Somit
verstärken und beschleunigen soziale Medien den Trend, denn die momentane
Generation ist ständig online und um ihr Aussehen bemüht – mehr als je eine
Generation zuvor. Auch Psychologin Hilary Weingarden sieht das Problem bei den
sozialen Medien. Durch die heutigen Technologien wie Snapchat werden neue
Formen der ritualisierten Obsession bezüglich des Aussehens gar erst möglich.
Während die Betroffenen früher einen Spiegel benötigten, um ihre äussere
Erscheinung zu überprüfen, kann heute mit wenigen Klicks dank dem Smartphone
ein Selfie geschossen werden. Durch das Bearbeiten und Veröffentlichen des
Bildes auf den sozialen Medien wird dieses Ritual weiter verstärkt, denn dabei
erhalten Userinnen und User Likes und Anerkennung.
Zurück zu inneren Werten
Doch wie kann dieses Problem gelöst werden? Klar ist, eine Schönheits-OP
hilft nicht weiter. Im Gegenteil: Laut Forschern würde dies die Komplexe gar
verschlimmern. Deshalb ist eine rechtzeitige psychologische Intervention wie
beispielsweise eine Verhaltenstherapie wichtig. Hier kann die Verherrlichung
eines falschen Schönheitsideals unterbunden und so die Gefahr für vor allem jugendliche
Nutzerinnen und Nutzer reduziert werden. Dazu können auch Eltern präventiv
beitragen. Schon ein offenes Gespräch über die Gefahren der Bildbearbeitung und
deren Auswirkung auf den Selbstwert kann Grosses bewirken. Einzelne Situationen
sollen wiederkehrend genutzt werden, um den Kindern einen positiven Umgang mit
der neuen Technologie zu lernen. Eltern sollen ihren Kindern zudem vermitteln,
dass gerade ihre Einzigartigkeit wertvoll ist sowie gesellschaftliche Normen
und Werte mehr zählen als Äusserlichkeiten. Und auch die sozialen Medien
übernehmen einen Teil der Verantwortung. So gab Instagramm vor knapp einem Jahr
bekannt, Schönheits-OP-Filter zu löschen. Dies sei vor allem zum Schutz von
Jugendlichen. Hinter den Filtern von Snapchat steht die Firma Sparks AR. Diese
verkündeten ebenfalls vor rund einem Jahr, die Filter aus der Effekt Gallery
gelöscht zu haben. Ob seither ein Rückgang an Snapchat-Dysmorphia verzeichnet wurde,
ist jedoch unbekannt.
Quellen:
https://www.gesundheitstrends.com/a/health-news/snapchat-dysmorphia-24874/
https://www.insider.com/snapchat-dysmorphia-low-self-esteem-teenagers-2020-1
https://psychnews.psychiatryonline.org/doi/10.1176/appi.pn.2018.11a11
Vous devez être connecté pour poster un commentaire.